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Tag des Laufens
Weshalb wir mit Laufen bei der Rettung des Waldes helfen wollen

| von Tom Rottenberg

Dem Wald geht es schlechter denn je. Nur noch jeder fünfte Baum ist „gesund“. In den letzten Jahren starb in Deutschland Wald auf einer Fläche, die fast zweimal so groß wie das Saarland ist.

Eigentlich ist unser Umgang mit Situation grotesk. Und wäre, wären die Fakten nicht so ernst, ein hervorragendes Beispiel dafür, zu illustrieren, wie leicht und gern wir uns in die Tasche lügen. Wie rasch und erfolgreich wir Probleme verdrängen. Erinnert sich noch jemand an das „Waldsterben“? Damals in den 1980er-Jahren: Wir waren alarmiert, schockiert und betroffen - aber weil der Wald immer noch da und grün ist, redet heute niemand mehr davon. Problem gelöst. Oder doch nicht? Darüber ließe sich lang und launig fabulieren. Auch lachen. Nur: In der der realen Welt gibt es da nichts zu lachen. Denn dem Wald geht es schlecht. Richtig schlecht. Weit schlechter als in den 1980er Jahren.

Aus gutem Grund: Der „saure Regen“, also die von Verkehr und Industrie achtlos in die Luft freigesetzten Giftstoffe, hatte nicht nur einen Aufschrei, sondern auch Maßnahmen zur Folge: Schadstofffilter und Auflagen reduzierten Schwefel, Säuren und andere Gifte in Abgasen effizient.

Dummerweise haben wir aber heute ein noch größeres Problem: Den Klimawandel. Seine Folge- und Begleiterscheinungen setzen dem Wald in einem Ausmaß zu, das das Waldsterben der 1980er-Jahre weit übertrifft: Trockenheit, Temperaturanstiege und die Zunahme von Sturm- und Starkwindereignissen in bisher kaum betroffenen Regionen haben verheerende Folgen. Allein in den letzten Jahren wurden in Deutschland über 500.000 Hektar Wald zerstört. Eine Fläche, fast zweimal so groß wie das Saarland, muss wieder aufgeforstet werden.

Für den Tag des Laufens registrieren, dem Wald helfen und mit Glück ein Lauf-Outfit gewinnen!

Schlimm, keine Frage. Aber was hat das mit Laufen zu tun? Warum steht das hier? Und vor allem: Was kann der oder die Einzelne da schon tun?

Er oder sie kann. Schritte setzen nämlich. Kleine und individuelle – aber in Summe wird daraus – wie beim Laufen – ein Marathon-Finish: Neben bekannten Klimaschutz-Standards (etwa der massiven Reduktion des Einsatzes fossiler Energieträger, weniger Fleischkonsum und anderen ressourcenschonenden Maßnahmen) kann das eigene Lauf-Verhalten Teil der Akut-Hilfe für den Wald werden.

Etwa indem man sich am 7. Juni 2023, dem Tag des Laufens, der Initiative Run for the Trees anschließt: Wer da, am internationalen Global Running Day, bei der Anmeldung freiwillig mindestens sieben Euro zahlt, ist damit Baum-Financier oder -Financiere. Und hat die Chance, ein Laufoutfit im Wert von über 1000 Euro zu gewinnen. Inklusive Polar-Laufcomputer und Nike-Laufschuhe!

Denn das Geld wird vom Deutschen Leichtathletik-Verband und sowie German Road Races und DATEV für Wiederaufforstungsprojekte eingesetzt. Und zwar zusätzlich zu jenen 1000 Bäumen, die die Träger der Aktion am Tag des Laufens ohnehin schon finanzieren. Die 1000 (und hoffentlich noch viel mehr) Bäume werden in verschiedenen Regionen Deutschlands gepflanzt – Art und Sorte richten sich nach dem jeweiligen regionalen forstlichen Bedarf.

Klar: Ja, angesichts der Schäden und Zerstörungen im Wald sind 1000 Bäume nicht viel. Aber sie sind ein erster Schritt. Ein Zeichen, das Bewusstsein schafft – und ein Anfang ist. Ein schöner Anfang – gegen ein furchtbares Ende.

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So schlecht geht es den Wäldern und Bäumen in Deutschland

Die amtliche Waldzustandserhebung attestierte aber schon 2020 – also noch vor den Dürresommern der vergangenen Jahre – erstmals nur noch jedem fünften deutschen Waldbaum eine intakte Krone. Der schlechteste Wert, seit Beginn der Untersuchungen. Seither hat sich nichts zum Positiven gewendet: 2021 und 2022 war dieser „Vitalwert“ des Waldes gleich hoch. „Das Jahr 2022 war erneut zu trocken und zu warm“, heißt es dazu in der Waldzustandserhebung des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, „auch die nassen Monate Februar und September konnten das Wasserdefizit nicht kompensieren.“

Für die 11,4 Millionen Hektar Waldfläche in Deutschland bedeutet das nichts Gutes: „Insgesamt befinden sich die Schäden weiterhin auf einem sehr hohen Niveau und haben sich je nicht oder nur sehr geringfügig verändert.“ Doch davon, dass ein stabiles Niveau zumindest „nicht schlechter“ heißt, kann keine Rede sein. Denn dort wo „Kronenverlichtungen“ – etwa der Fichte – geringfügig zurückgingen, hat das einen tödlichen Grund: Bei Deutschlands häufigstem Nadelbaum (25 Prozent der Waldbäume sind Fichten) ist die Mortalitätsquote signifikant höher als bei anderen Baumarten. Wer stirbt früher? Genau: Schon bisher schwer geschädigter Bäume. Statistisch senkt das den Anteil schwerkranker und -geschädigter Bäumen.

„Schuld“ ist ein tödlicher Cocktail aus Begleit- und Nebenwirkungen des Klimawandels. Grob vereinfacht gesagt: Je länger und früher es warm ist, umso rascher und vor häufiger können sich Schädlinge vermehren. Zur Hitze kommt Trockenheit: Bäume, die sich sonst gegen Schädlinge – etwa Borkenkäfer – recht gut wehren können (etwa indem sie – wieder: laienhaft – mehr Harz produzieren und die Käfer darin „festsetzen“), sind wehrlos. Erst recht, wenn ihr „Rindenpanzer“ durch Trockenheit und Hitze rissig und offen ist.

Monokulturen potenzieren das Problem: Sie sind für Schädlinge Schlaraffenland. Einmal im Zielgebiet muss man nie wieder nach der idealen Nahrung suchen. Sterben die Bäume dann ab, beendet der Wind – der klimawandelbedingt vielerorts öfter und stärker weht – das Spiel: Im trockenen oder durch plötzliche kurze Starkregen ausgeschwemmten Boden fallen Bäume leichter – und Totholz ist ein perfekter Nährboden für? Genau: Noch mehr Schädlinge. Und wenn es trocken ist, brennt Holz viel leichter.