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Gewöhnung an lange Läufe
Wie lang muss ein Longrun in der Marathon-Vorbereitung sein?

| Text: Dr. Matthias Marquardt | Foto: iStockphoto/lzf

Vor einem Marathon muss dein Körper daran gewöhnt werden, lange zu laufen. Aber wie lange sollen die Einheiten sein? laufen.de-Experte Dr. Matthias Marquardt weiß, wie du dich am besten vorbereitest.

Hast du schon mal einen Marathonläufer oder eine Marathonläuferin in den letzten Wochen vor dem Rennen erlebt? Da wird der Rotwein gestrichen, da geht es pünktlich ins Bett, da wird der Kinobesuch abgesagt, und Familienmitglieder glauben manchmal, sie gäbe es gar nicht mehr.

Glücklicherweise gibt sich das nach dem Rennen wieder, aber im Vorfeld sind äußerste Disziplin und Fokussierung wenigstens ein stückweit notwendig. Die Frage ist nur: Worauf fokussiert sich der Marathonläufer oder die -läuferin am meisten? Die Ernährung, den richtigen Laufschuh, das Rumpftraining, die intensiven Läufe, die langen Läufe? Erfahrungsgemäß meist auf das, wovor er oder sie sich am meisten fürchtet: Und das ist bei Einsteigern und Einsteigerinnen wohl die Streckenlänge.

Diese unendlich langen 42,195 Kilometer. Entsprechend gestaltet der oder die Marathoni seine Trainingstage. Da kann der kurze schnelle Lauf eher mal ausfallen, bei den langen Läufen aber gibt es kein Pardon. Bei Kilometer 35 soll es schließlich so richtig hart werden, also muss diese Strecke auch regelmäßig im Training gelaufen werden. Man muss die langen Strecken doch aushalten können. Fahren die Läuferinnen und Läufer nun gut mit ihren ganz langen Vorbereitungsläufen?

Viele klagen über orthopädische Probleme

Wenn man bedenkt, dass etwa 30 Prozent an der Startlinie eines großen Stadtmarathons über orthopädische Beschwerden klagen, offenbar nicht. Und darin sind diejenigen, die es aufgrund von ernsten Beschwerden in der Vorbereitung gar nicht an die Startlinie geschafft haben, gar nicht enthalten. Den Fokus nur auf die verletzungsträchtigen ultralangen Läufe zu legen, ist also problematisch. Zumal, wenn die Stabilisierungs- und Technikübungen vernachlässigt werden.

Auch wenn Läuferinnen und Läufer über dieses Wissen verfügen, nagt die Angst am Ego, man könne die 42 Kilometer nicht schaffen. Wer 35 Kilometer und mehr im Training läuft, gewinnt natürlich in diesem Punkt Selbstvertrauen. Aber was nützt dies, wenn er sich seinen Stadtmarathon später vor dem Fernseher mit einem Eisbeutel auf dem schmerzenden Knie angucken muss? Und was ist nun mit der Ausdauer: Reicht die auch bei kürzeren Läufen für die volle Distanz?

Anpassungsprozesse finden auch auf kürzeren Strecken statt

Natürlich ist die Basis des Ausdauertrainings die Anpassung an lange Strecken. Und natürlich sollst du auch lange laufen, wenn du dich auf die Königsstrecke der Leichtathletik vorbereitest. Aber: Auch auf kürzeren Strecken finden wichtige Anpassungsprozesse statt. Vor allem bei höheren Intensitäten. Dein Körper ist also in der Lage, durch Ausdauertraining Fähigkeiten zu entwickeln, die er auch bei Läufen, die länger sind als die Trainingsläufe, einsetzen kann.

Sonst wäre es ja schwer möglich, einen Langdistanz-Triathlon (3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren, 42,195 km Laufen) zu bestreiten. Oder glaubst du, die Triathleten laufen solche Distanzen auch im Training? Natürlich nicht! Die orthopädische Belastung wäre viel zu hoch. Ihren Wettkampf absolvieren sie bei guter Vorbereitung trotzdem mit voller Leistungsfähigkeit.

Fazit: Du musst vor dem Marathon lange Läufe machen. 25 bis 30 Kilometer reichen aber für den Freizeitsportler oder die Freizeitsportlerin vollkommen aus. Sinnvoller als überlange Distanzen zu laufen ist es, das Training regelmäßig um die wichtigen Stabilisierungsübungen zu ergänzen. So bleibst du verletzungsfrei und bist auch fähig dazu, die Kraft bei Kilometer 35 auf die Straße zu bringen. Um wirklich ein hinreichendes Ausdauerniveau zu erlangen sind intensive Läufe im Trainingsplan sehr wichtig. Laufe also nicht nur im lockeren Tempo!

Tipp: Weiche teilweise auf das Fahrrad aus

Wer jetzt immer noch Angst vor der Strecke hat, der kann sich mit einem Trick behelfen. Nimm dir für die ersten ein oder zwei Stunden deines extralangen Ausdauertrainings das Fahrrad und trainiere dort im Grundlagenbereich (Herzfrequenz fünf bis zehn Schläge niedriger als beim Laufen) und wechsele dann direkt für zwei Stunden in die Laufschuhe.

So hast du den Stoffwechsel ganz sicher auf die ganz langen Läufe vorbereitet, aber die Sehnen und Gelenke entlastet, sodass du sicher und schmerzfrei an den Start gehen kannst. Denn du willst das Rennen doch auch genießen, oder?

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