Run Better Research Studie
Wie Laufschuh-Technologien das Verletzungsrisiko beeinflussen können

| von Norbert Hensen | Grafiken: GoodWillRun

Welche Rolle spielt die Laufschuh-Technologie bei dem Risiko, sich zu verletzen? Eine Befragung unter mehr als 1700 Läuferinnen und Läufern liefert spannende Erkenntnisse.

Die erste Auswertung der Laufschuh-Studie „Run Better Research“ ist abgeschlossen. Wie häufig verletzen sich Läuferinnen und Läufer und welchen Einfluss haben Laufverhalten und Laufschuh-Technologien auf das Verletzungsrisiko?

Mehr als 50 Prozent aller Läuferinnen und Läufer verletzen sich seit vielen Jahren bei der Ausübung ihres Hobbys. Warum ist das so? Liegt es auch an den (falschen) Laufschuhen? Obwohl nahezu alle Hersteller forschen, um Laufschuhe immer besser zu machen, sinkt die Verletzungshäufigkeit Studien zu Folge seit Jahren nicht.

Eine Befragung, die im April 2022 unter Userinnen und Usern von laufen.de mit Unterstützung der Deutschen Sport­hochschule Köln und dem True Motion Research Laboratory durchgeführt wurde, liefert nun neue Erkenntnisse zum Einfluss neuer Laufschuh-Technologien auf das Risiko, sich beim Laufen zu verletzen.

Befragung von mehr als 1700 Läuferinnen und Läufern

Mit Hilfe eines strukturierten Online-Fragebogens wurden die Daten erfasst und anschließend anonymisiert, sowie auf Konsistenz und Vollständigkeit geprüft. Die Auswertung erfolgte von der Datenerfassung entkoppelt. Eine unabhängige Institution hat die Auswertung statistisch geprüft. Für die Teilnahme an der Studie hatten sich 2117 Läuferinnen und Läufer beworben. Insgesamt konnten 1724 Probanden in die Auswertung der Befragung eingeschlossen werden.

Studienteilnehmer*innen: 1724

Verteilung nach Geschlechtern: Männer 986 (57,2%) | Frauen 738 (42,8%)

Die Fragen bezogen sich auf die zurückliegenden 12 Monate. Für die Analyse wurden die genannten Laufschuh-Modelle insgesamt fünf Schuhtechnologie-Gruppen zugeordnet (siehe Spalte links).

Schaut man auf Angaben zum Laufverhalten, so ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede in den Gruppen in Bezug auf Trainingshäufigkeit und zurückgelegte Kilometer pro Woche. Lediglich die Probanden, die vornehmlich die Carbon-Technologie nutzten, gaben eine etwas größere Laufleistung und höhere Trainingshäufigkeit pro Woche an (siehe dazu Tabelle 1).

Häufigkeit von Verletzungen

Insgesamt waren im Beobachtungszeitraum von einem Jahr 913 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mindestens einmal verletzt. Daraus ergibt sich eine Verletzungshäufigkeit über alle Gruppen von 52,96 Prozent. Mehr als jeder zweite Proband hat sich also im Laufe eines Jahres verletzt, wobei traumatische Verletzungen durch einen Unfall (Sturz, Umknicken) nicht berücksichtigt wurden. (Tabelle 2)

Wie gewinnt man nun Erkenntnisse, die Rückschlüsse auf die eingesetzte Laufschuh-Technologie unabhängig von der Trainingsbelastung beziehungsweise der Laufleistung zulassen? Dazu wurde das Verletzungsrisiko auf Basis einer 1000-Kilometer-Inzidenz berechnet. Dieses Verfahren wendet man an, um die Verletzungsverteilung auf eine bei allen Probanden angenommene Laufleistung von 1000 Kilometern zu berechnen. Damit lässt sich der Einfluss der Laufschuh-Technologie unabhängig vom Laufverhalten beurteilen. Hier zeigt sich, dass Läuferinnen und Läufer, die einen Neutralschuh nutzten, sich häufiger verletzten als die Nutzer anderer Schuh-Technologien. Am wenigsten verletzten sich Probanden, die vornehmlich die U-Technologie nutzten. (Tabelle 3)

Verletzungsverteilung

Das Knie ist am häufigsten verletzt. 26,1 Prozent der Untersuchten gaben an,  mindestens einmal im Jahr am Knie verletzt gewesen zu sein. Bei Läuferinnen und Läufer, die vornehmlich mit der U-Technologie trainierten, war das Verletzungsrisiko am Knie gegenüber den neutralen und Support-Laufschuhen um etwa 50 Prozent reduziert.

Die Achillessehne nimmt bei der Verletzungshäufigkeit mit 23,49 Prozent den zweiten Rang ein. Die größte Verletzungshäufigkeit der Achillessehne ließ sich bei Nutzern der Carbon-Platten-Technologie (19,3 %) feststellen.

Rücken-Probleme gaben Nutzer der U-Technologie zu 6,99 Prozent an. Höhere Werte gab es bei Nutzern von Neutral-Schuhen (14,6 %) oder Support-Schuhen (14,3 %).

Mittelsohlentechnologien scheinen demnach einen deutlichen Einfluss auf die Art der Überlastung und auf die Lokalisation der Verletzung zu haben.

Zusammenfassung

  • Mehr als 50% aller Läuferinnen und Läufer sind mindestens einmal im Jahr verletzt und müssen in den meisten Fällen als Folge das Training reduzieren.
  • Knie und Achillessehne sind am häufigsten verletzt. Auch der Rücken wird als Problembereich identifiziert.
  • Schuhtechnologien haben einen Einfluss auf die Häufigkeit aller Laufverletzungen und die Häufigkeit besonders von Knie-, Achillessehnen- und Rückenverletzungen.
  • Die seit 2019 verfügbare U-Technologie ist in der Lage, das Risiko von Knieverletzungen gegenüber anderen Sohlentechnologien um mehr als die Hälfte zu reduzieren.
  • Laufschuhe, deren Sohlen mit Carbon-Platten versteift werden, erhöhen das Risiko einer Achillessehnenverletzung deutlich.
  • Die Rocker-Technologie reduziert das Risiko einer Achillessehnenverletzung, erhöht aber gleichzeitig die Belastung und damit das Risiko einer Verletzung am Kniegelenk.

Im weiteren Verlauf der Studie wurden rund 500 Probanden ein halbes Jahr begleitet und wöchentlich zum Laufverhalten und möglichen Verletzungen befragt. Diese Befragung ist abgeschlossen. Erste Ergebnisse werden im Sommer 2023 erwartet.

Das sind die fünf untersuchten Laufschuh-Technologien

Neutral/Cushioning (Neutral): Eingeschlossen wurden Laufschuhe, die mit einem gut dämpfenden Mittelsohlen-Material hergestellt sind, aber keine Technologien besitzen, die das Abrollverhalten deutlich beeinflussen. Diese Technologie nutzten: Gesamt 1027 (59,6%), Männer 561 (56,9%), Frauen 466 (63,1%)

Support/Motion Control (Support): Eingeschlossen wurden Laufschuhe, die mit einem gut dämpfenden Mittelsohlen-Material hergestellt sind und zugleich Technologien nutzen, die das Abrollverhalten beeinflussen können, um z.B. Überpronationsbewegungen einzuschränken. Diese Technologie nutzten: Gesamt 314 (18,2%), Männer 178 (18,1%), Frauen 136 (18,4%)

Rocker-Technologie (Rocker): Eingeschlossen wurden Laufschuhe, deren Sohlen im Bereich Ferse und Vorfuß deutlich nach oben gebogen sind (ähnlich wie ein Schaukelstuhl), um das Abrollen zu erleichtern. Diese Technologie nutzten: Gesamt 183 (10,6%), Männer 123 (12,5%), Frauen 60 (8,1%)

U-Technologie (U-Tech): Diese Sohlen-Technologie ist recht neu und verfolgt den Ansatz, die beim Aufprall auftretenden Kräfte zu zentrieren und Drehkräfte im Bereich des Kniegelenks zu reduzieren. Diese Technologie nutzten: Gesamt 143 (8,3%), Männer 85 (8,6%), Frauen 58 (7,9%)

Carbon-Technologie (Carbon): Die Kategorie schließt alle Laufschuhe ein, die über eine Platten-Technologie (Carbon oder vergleichbare Materialien) verfügen, die die Sohle der Laufschuhe versteift, um eine hohe Energierückführung erzielen zu können. Diese Technologie nutzten: Gesamt 57 (3,3%), Männer 39 (4,0%), Frauen 18 (2,4%)