Keine Schmerzen, besseres Gefühl
Wie Ted Mönnig nach einem Schicksalsschlag mit Laufen die Wende geschafft hat

| Text: Anja Herrlitz | Fotos: privat

2008 geht es Ted Mönnig körperlich nicht gut und sein Sohn erkrankt schwer. Mönnig muss etwas ändern in seinem Alltag. Er beginnt, wieder Sport zu machen. Und gibt seinem Leben eine positive Wendung.

Manchmal kann eine scheinbare Niederlage auch ein großer Sieg sein. So war es zumindest bei Ted Mönnig, der 2008 bei einem Adventslauf an den Start ging und Letzter wurde. Was erst einmal wie eine Niederlage aussah. Was letztlich aber ein Sieg über die eigene Bequemlichkeit war und der Start in ein gesünderes und besseres Leben.

Eigentlich hatte Ted Mönnig schon eine gewisse Affinität zu Sport. „Ich bin gerne Rad gefahren und geschwommen. In meiner Wohnung hatte ich mir einen kleinen Kraftraum eingerichtet“, blickt er zurück. „Ich habe das nicht leistungsmäßig gemacht, aber um gesund und fit zu sein.“ Und dann kam, was bei so vielen Menschen geschieht. Man hat beruflichen Stress. Man gründet eine Familie. Dazu kommen eine gewisse Bequemlichkeit sowie andere Hobbys und Interessen.

In der „Rushhour des Lebens“ gibt es plötzlich so viele andere Prioritäten, dass der Sport oft in den Hintergrund tritt. So auch bei Ted Mönnig. „Und plötzlich wiegt man 20 Kilo mehr. Mich plagten Schmerzen im Knie, in den Schultern und Knien, ich war unausgeglichen und reizbar“, erzählt Ted Mönnig. Und das mit gerade einmal Ende 30.

Und dann trifft es die Familie noch härter. Bei seinem Sohn wird 2008 Krebs diagnostiziert. Während dieser mehrere Monate in der Kinderonkologie im Universitätsklinikum Münster behandelt wird und Ted Mönnigs Frau größtenteils bei ihm bleibt, pendelt Ted Mönnig jeden Tag die rund 100 Kilometer zwischen seiner Heimatstadt Dinklage und Münster, geht arbeiten und kümmert sich um seinen anderen Sohn. „Wenn ein Kind so schwer krank ist, ist das eine Familienkrise. Das muss man erst einmal durchstehen“, weiß der heute 52-Jährige. Zeit, sich um sich selbst und die eigenen Interessen zu kümmern, bleibt da nicht.

Aber als es seinem Sohn wieder besser geht, wird Ted Mönnig klar: So kann es nicht weitergehen. „Ich musste etwas für mich tun, bevor ich vor die Hunde gehe.“ Er meldet sich im Fitnessstudio an und baut Muskeln auf. Nicht um Muskelpakete zu bekommen, sondern um wieder schmerzfrei zu sein, ein bisschen Gewicht zu verlieren, Lebensqualität zurückzugewinnen. Zweimal in der Woche macht er Sport und gewinnt den Spaß daran zurück. „Ich habe mich tatsächlich darüber gefreut, dass ich mir wieder ohne Schmerzen im Stehen die Socken anziehen konnte. Mit 38!“

Eine Couchpotato wird zum Läufer

Ende November nimmt er – aus einer spontanen Laune heraus – am Dinklager Adventslauf teil. In schlabbrigen Jogginghosen, einem Baumwoll-Kapuzenshirt und ausgelatschten Tennisschuhen steht er am Start. „Couchpotato meets Überflieger habe ich damals gedacht“, erzählt er lachend. Das Ende der Geschichte: Ted Mönnig erreicht als Letzter des Fünf-Kilometer-Laufs das Ziel. Am nächsten Tag kann er kaum gehen, am übernächsten Tag fragt ihn sein Chef, ob er Hämorrhoiden habe, oder weshalb er so komisch laufe. „Aber all das hat mich nicht davon abgehalten, weiter zu laufen. Es hat mich sogar eher angespornt. Ich war stolz, dass ich zum ersten Mal fünf Kilometer am Stück gelaufen bin.“

Und deshalb läuft er ab diesem Moment regelmäßig. Erst einmal pro Woche drei bis sechs Kilometer. Dann immer mehr. Schnell schafft er zehn Kilometer. Wenn er dann unterwegs ist, träumt er. Davon, als Sieger des Dinklager Adventslaufs über die Ziellinie zu sprinten. Und auch wenn ihm das bis heute nicht gelungen ist, ist das der Beginn seiner Liebe fürs Laufen.

Herber Rückschlag durch eine schwere Erkrankung

Ted Mönnig spürt schnell Fortschritte. Er wird schneller. Bei kleineren Wettkämpfen schafft er vordere Platzierungen. Er liebt das Gemeinschaftserlebnis bei den Wettkämpfen genauso wie er es liebt, allein in der Natur unterwegs zu sein. Er hat seine Freude an der Bewegung zurückgewonnen. Aber nicht alles ist rosarot, immer wieder gibt es auch mal Rückschläge.

2011 zum Beispiel erkrankt er zu Beginn des Jahres schwer, scheinbar an Grippe. Als es ihm auch im April nicht besser geht, schickt ihn seine Frau zum Arzt, der eine Sarkoidose diagnostiziert, bei der sich mikroskopisch kleine Knötchen in Organgewebe bilden, verbunden mit einer verstärkten Immunantwort. „Ich hatte nur noch 60 Prozent Lungenvolumen, musste ins Krankenhaus und auch ein halbes Jahr Kortison nehmen. Nach einem halben Jahr Pause habe ich dann wieder bei Null angefangen.“

Sport als Lebenselixier

Aber hier zeigt sich, was sich in den letzten drei Jahren getan hat. Hätte er sich vor 2008 wahrscheinlich einfach seinem Schicksal ergeben, kommt es für ihn jetzt keinesfalls in Frage, keinen Sport mehr zu machen. Also geht er wieder ins Fitnessstudio, beginnt wieder langsam mit dem Laufen und wird nach und nach wieder besser. „Sport hat für mich zu diesem Zeitpunkt schon dazugehört und war eine Art Lebenselixier. Ich wollte mich nicht selbst bedauern und einfach rumsitzen. Ich wollte etwas für mich tun.“

Viel Spaß mit den Burgläufern

Und so stellt er sich neuen Herausforderungen. 2013 läuft er – bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und eisigem, starkem Wind – in Lohne seinen ersten Halbmarathon. Im Ziel ist er vor Kälte ganz kalt und steif, aber auch völlig überwältigt, sodass ihm die Tränen kommen. Spaß findet er auch bei den Dinklager Burgläufern, der Laufgruppe seiner Heimatstadt. Hier trifft er auch Gleichgesinnte, mit denen er sich austauschen, von deren Tipps er profitieren und mit denen er viele Dinge rund ums Laufen organisieren kann.

Sie motivieren ihn auch, 2018 seinen ersten Marathon in Hamburg zu laufen. Seiner Frau, die selbst nicht läuft und mit seiner Laufleidenschaft auch nicht viel anfangen kann, sagt er, er würde nur diesen einen Marathon laufen. „Nun ja, was soll ich sagen“, sagt er schmunzelnd. Er wird sein Versprechen brechen. Nicht nur einmal. Allein 2021 läuft er sieben Läufe über die Marathondistanz und 3070 Kilometer – bedingt durch die Corona-Pandemie. Da keine Wettkämpfe stattfinden, hat er mehr Zeit, für sich zu laufen.

Aus dem Ergebnisläufer wird ein Erlebnisläufer

Und noch etwas ändert sich in diesem Jahr. Hat er es bis zu diesem Zeitpunkt genossen, an Wettkämpfen teilzunehmen und dort auch möglichst schnell zu laufen und vorne dabei zu sein, verliert das nun immer mehr an Bedeutung. „Ich bin vom Ergebnisläufer zum Erlebnisläufer geworden“, erzählt der Zollagent, der für Unternehmen, die kein eigenes Fachpersonal haben, Zollabfertigungen macht.

Statt sich nach dem Lauf auf den Ergebnislisten zu suchen, sucht er jetzt eher Lauferlebnisse, wo es etwas zu sehen, etwas zu erleben gibt. Immer öfter gönnt er sich jetzt Veranstaltungen, die er schon immer mal wegen des Erlebnisses machen wollte, die wegen anstehender Wettkämpfe aber für ihn ausfielen. Und er macht auch eine Woche allein Laufurlaub in der Eifel und dem Dreiländereck Deutschland, Luxemburg, Frankreich. Beim Laufen kommen ihm Gedichte in den Sinn, die er in einem Gedichtband mit dem Titel „Von der Poesie des Laufens“ veröffentlicht.

Ein zum Positiven verändertes Lebensgefühl

Wenn er auf die Zeit vor 2008 zurückschaut, steht eines fest: „Mein Lebensgefühl hat sich absolut verändert – zum Positiven.“ Das Laufen habe ihm geholfen, immer wieder aufzustehen, nach vorne zu schauen, neue Ziele zu finden. Auch körperlich geht es ihm heute viel besser. Ein paar Kilo zu viel hat er seiner Meinung nach zwar immer noch, aber er fühlt sich wohl damit und es behindert ihn nicht. Die chronischen Schmerzen gehören der Vergangenheit an. Und seine Einstellung als Läufer habe ihn auch beruflich vorangebracht: Ausdauer zu haben, etwas durchzustehen, auch wenn es unangenehm ist. „Das Laufen hat mich als Persönlichkeit unglaublich weitergebracht. Deswegen will ich auch nicht mehr darauf verzichten.“