Leichtathletik-WM: Die Marathons und der Smog

| Jörg Wenig/dpa I Fotos: SCC Events
Der Verkehr wird halbiert, Braunkohle-Kraftwerke abgeschaltet: Die Organisatoren der Leichtathletik-WM in Peking wollen die Smog-Belastung mindern - zum Wo

Der Verkehr wird halbiert, Braunkohle-Kraftwerke abgeschaltet: Die Organisatoren der Leichtathletik-WM in Peking wollen damit die Smog-Belastung in der Millionen-Metropole mindern - zum Wohle der Marathonläufer um die Top-Stars Dennis Kimetto und Wilson Kipsang (Fotos) und der insgesamt fast 2000 Sportler. Wir blicken voraus auf die beiden Entscheidungen über 42,195 Kilometer und sagen, welche Regeln Peking im Kampf gegen die dicke Luft erlassen hat.

Hochklassig besetzt sind die beiden Marathonrennen bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Peking, was bei den vergangenen Titelkämpfen längst nicht immer der Fall war. Bei den Männern trifft am Samstag der aktuelle Weltrekordler Dennis Kimetto auf seinen Vorgänger Wilson Kipsang (beide Kenia) und den Olympiasieger sowie WM-Titelverteidiger Stephen Kiprotich (Uganda). Als erste Frau will Edna Kiplagat am WM-Schlusstag (30. August) zum dritten Mal in Folge den Marathon-WM-Titel gewinnen. Doch stärker einzuschätzen sind zurzeit eher ein paar andere Afrikanerinnen. Deutsche Läufer sind im Marathon nicht dabei. Beide Rennen werden in Peking früh morgens gestartet, so dass sie in Europa zu nächtlicher Stunde im Fernsehen zu sehen sind. Die Läufer müssen die 42,195 Kilometer in einer der schmutzigsten Städte der Welte zurücklegen. Die Organisatoren garantieren, dass keine Gefahr für die Sportler besteht und haben verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um den Smog zu reduzieren. Dazu gibt's im dritten Text-Block nach der sportlichen Vorschau die Details.

Marathon Männer

Finale: 22. August (1:35 Uhr; live im ZDF und bei Eurosport)

Die ersten Medaillen werden bei den Weltmeisterschaften in China im Marathon vergeben. Das Männerrennen ist dabei in der Spitze sehr stark besetzt. Insgesamt ist das Feld Samstagnacht deutscher Zeit mit nur 68 Läufern jedoch eher klein. Dies liegt daran, dass nach dem Wegfall der Weltcup-Mannschafts-Wertung jede Nation nur noch drei Läufer statt fünf Athleten an den Start bringen kann. In einem zu erwartenden Hitzerennen kann viel passieren, so dass es auch Überraschungen geben kann. Keiner hat sich in den letzten Jahren bei sommerlichen Meisterschaftsrennen ohne Tempomacher so herausragend geschlagen wie Stephen Kiprotich. Der Läufer aus Uganda wurde 2012 zunächst sensationell Olympiasieger und gewann ein Jahr später auch den WM-Titel in Moskau. Allerdings hatte Kiprotich im Frühsommer Probleme. Und so reichte es beim Halbmarathon im tschechischen Olomouc im Juni lediglich zu Rang zehn in 63:07 Minuten.

Sehr gute Form zeigte im April Wilson Kipsang. Der Kenianer, der 2013 in Berlin mit 2:03:23 Stunden einen Weltrekord aufgestellt hatte, wurde in London Zweiter mit 2:04:47 Stunden. Während Sieger Eliud Kipchoge in Peking nicht am Start sein wird und auf den Berlin-Marathon am 27. September auf eine schnelle Zei t hofft, ist der Drittplatzierte des London-Marathons dabei: Dennis Kimetto ist jener Kenianer, der im vergangenen Jahr in Berlin Kipsang als Weltrekordler entthronte und eine Zeit von 2:02:57 Stunden erreichte. Das WM-Duell zwischen Kipsang und Kimetto könnte sehr spannend werden. Stark einzuschätzen ist aber auch Lelisa Desisa. Der Äthiopier war bei der WM vor zwei Jahren bereits Zweiter und gewann in diesem Jahr zum zweiten Mal den Boston-Marathon. Gespannt sein darf man wie sich der Marathon-Europameister des vergangenen Jahres, Daniele Meucci (Italien), in Peking schlägt.

Die WM-Vorschau auf die Bahn-Langstrecken der Männer findet ihr hier!

Marathon Frauen

Finale: 30. August (1:30 Uhr; live im ZDF und bei Eurosport)

Edna Kiplagat ist bereits die einzige Läuferin, der in der Geschichte der Leichtathletik-Weltmeisterschaften eine Titelverteidigung im Marathon gelang. Die Kenianerin gewann zunächst 2011 in Daegu (Südkorea) die Goldmedaille und triumphierte dann vor zwei Jahren in Moskau erneut. Jetzt will sie diese Erfolgsserie noch ausbauen und zum dritten Mal Weltmeisterin werden. Ihre Leistungen in diesem Jahr waren zwar solide, aber nicht spektakulär, so dass sie eher nicht als Topfavoritin gelten kann. Was aber für Kiplagat spricht, ist ihre Erfahrung und das Vermögen in großer Hitze starke Leistungen zu bringen. Stärker einzuschätzen sind drei äthiopische Athletinnen: Tigist Tufa ist die aktulle London-Marathon-Siegerin, Mare Dibaba lief bei ihrem Sieg in Xiamen (China) im Januar die aktuelle Jahresweltbestzeit von 2:19:52 Stunden, und Tirfi Tsegaye gewann im vergangenen Jahr den Berlin-Marathon. In den Kampf um die Medaillen können sicherlich auch Jemimah Sumgong (Kenia), Zweite beim New York-Marathon 2014, und Eunice Jepkirui eingreifen. Die aus Kenia stammende Jepkirui gewann 2014 im Trikot von Bahrain den Marathon bei den Asienspielen. Zu beachten sind auch Tetyana Gamera (Ukraine), Aleksandra Duliba (Weißrussland) und Sairi Maeda (Japan). Nicht dabei sind unter anderen die kenianischen Topläuferinnen Mary Keitany, Gladys Cherono und Lucy Kabuu.

Die WM-Vorschau auf die Bahn-Langstrecken der Frauen findet ihr hier

So kämpft Peking gegen den Smog

Blauer Himmel statt Smog: Die Leichtathleten bei der WM in Peking können aufatmen. Die Behörden der Stadt haben Maßnahmen veranlasst, um die gesundheitsgefährdenden Dreckwerte in der Luft von Chinas Hauptstadt während der Titelkämpfe von Samstag bis zum 30. August zu reduzieren. Der Autoverkehr wird halbiert, Lastwagen sind aus der Nähe des „Vogelnest“-Stadions verbannt, Kohlekraftwerke werden abgeschaltet und Barbecues mit Holzkohlegrills sind nicht erlaubt. Die WM-Organisatoren wollen zudem täglich die Smog-Werte veröffentlichen. „Man braucht keine Sorge haben, dass Athleten kollabieren“, erklärte Helmut Digel, Chef der Koordinierungskommission zwischen Weltverband IAAF und den Organisatoren. Bereits bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde die „dicke Luft“ vertrieben - bei allen Wettkämpfen waren kaum eine Wolke am Himmel und kein Dunst zu sehen.

Für die besten Marathonläufer der Welt, die am Samstag am WM-Eröffnungstag den ersten der 47 Wettbewerbe bestreiten, ist das eine gute Nachricht. Ihre Sorge hielt sich aber ohnehin in Grenzen. „Wir müssen mit den Verhältnissen leben, die wir hier vorfinden. So einfach ist das. Wir haben darauf keinen Einfluss und müssen unser Rennen laufen“, sagte der ehemalige Weltrekordhalter Wilson Kipsang aus Kenia. Auch die Mediziner des deutschen Teams haben sich mit dem Smog-Problem beschäftigt und darüber eine kleine Dokumentation für die Athleten verfasst. „Bereits seit Wochen analysieren wir die Smogbelastung in Peking. Fazit: Die Belastungswerte wechseln nahezu täglich“, wird Mannschaftsärztin Dr. Christine Kopp auf der Homepage des Deutschen Leichtathletik-Verbandes zitiert. Bei Smog in Verbindung mit großer Hitze reagiere jeder anders. Somit gebe es keine Patentlösung, sondern immer nur individuelle Lösungen.

Vorsicht ist dennoch geboten. Peking mag die chinesische Stadt sein, die am bekanntesten für ihre Smogprobleme ist. Sie ist aber bei weitem nicht die einzige. 38 Prozent des Milliarden-Volkes atmen ungesunde Luft, wie erst vergangene Woche US-Forscher in einer Studie berichteten. Die in vielen Städten mit Schadstoffen belastete Luft verursacht demnach in China schätzungsweise 1,6 Millionen Todesfälle pro Jahr – das sind etwa 4000 Tote pro Tag. Vor zwei Jahren hat Chinas Regierung eine Offensive gegen die Luftverschmutzung gestartet. Zahlreiche Großstädte wurden zunächst mit Messanlagen überzogen, die die Bevölkerung vor besonders starkem Smog warnen sollen. Nachdem neue Umweltgesetze verabschiedet und besonders dreckige Fabriken geschlossen wurden, sind erste leichte Verbesserungen messbar: In landesweit 189 überprüften Städten ist laut Greenpeace die Belastung mit gefährlichem Feinstaub im ersten Halbjahr 2015 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um durchschnittlich 16 Prozent zurückgegangen.