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Trainingstipp
Ausgeruht an den Start

Hier schreibt unser Experte Andreas Butz, warum vor einem Wettkampf nicht nur das richtige Training, sondern auch ausreichende Regeneration, zur Bestleistung führt.

Das Ziel war klar, das Training gewissenhaft und dennoch hat es im Rennen nicht geklappt. So etwas hat wahrscheinlich jeder
schon einmal erlebt, der hin und wieder Wettkämpfe bestreitet. Ich zuletzt Ende Oktober. Beim Frankfurt-Marathon. Gleich um elf Minuten habe ich mein Ziel verpasst. Und das, obwohl ich doch alles richtig gemacht hatte. Oder?

Eine Zeit unter 3:10 Stunden hatte ich anvisiert, 3:21 Stunden habe ich gebraucht. Nach 32 Kilometern Kampf bin ich langsamer geworden, viel langsamer. Circa eine Minute pro Kilometer. Trotz der Erfahrung von über 130 Marathons und obwohl ich so viele lange Trainingsläufe gemacht hatte. An der Kondition kann es also nicht gelegen haben. Vielleicht am Wetter? Es war ja windig und saukalt. Möglicherweise lag es auch an einer falschen mentalen Einstellung.

Klingt nicht nach schonungsloser Aufklärung, eher nach Ausrede. Sich in die Tasche lügen, sagt dazu der Volksmund. Erst als vor ein paar Tagen ein befreundeter Trainer per Mail fragte, woran es denn wirklich gelegen habe, war ich bereit, mir Fehler einzugestehen. Zu meinem Freund wollte ich ehrlich sein – und deshalb war ich es auch zu mir. Das Schreiben der Antwort half mir dabei, denn beim Schreiben wurden mir meine Fehler erst richtig bewusst.

Ich hatte wirklich fast alles richtig gemacht: Zehn Monate lang lief mein Training wie am Schnürchen. Die Vorbereitungswettkämpfe waren top, auch die harten Tempotrainings fluppten. Und die vielen langen Dauerläufe, das A und O des Marathontrainings, konnte ich wie geplant durchziehen. Vier Wochen vor dem Marathon war ich in Topform und nur die letzte intensive Trainingswoche musste noch gerockt werden. Und auch das klappte. Nur noch drei Wochen.

Die Form war so gut, die Vorfreude so groß, dass ich die Müdigkeit missachtet und die geplante Regeneration bis zum Saisonhöhepunkt, das sogenannte „Tapering“, nicht konsequent durchgehalten habe. „Tapering“ bedeutet, so zu regenerieren, dass man beim Wettkampf nicht nur in Bestform, sondern auch ausgeruht ist. Dass der Akku bis zum Anschlag aufgeladen ist. Von den drei Trainingsbausteinen Dauerlaufen, Tempotraining und Regeneration ist die Regeneration in diesen letzten Tagen vor dem Wettkampf der wichtigste.

Ich aber habe mehr gemacht als sinnvoll, intensiver trainiert als eigentlich geplant und der Erneuerung meiner Zellen, Energiedepots und Abwehrkräfte keinen Raum gegeben. Die Übermotivation hat mich zudem schnurstracks in einen Infekt geführt, ein Infekt, der mich beim Marathon kraftlos machte.

Als ich vor Kurzem damit begann, den Trainingsplan für den nächsten Versuch im Frühjahr zu schreiben, ertappte ich mich bei den gleichen Fehlern: zu viel Training, zu wenig Pausen. Und nur, weil ich mir diese Fehler durch das Schreiben bewusst gemacht hatte, konnte ich sie in meiner neuen Planung vermeiden. Ich werde im Frühjahr kraftvoll und ausgeruht ins Rennen gehen und mein Ziel erreichen. Wir lesen uns.