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Musikmarathon
In Berlin spielen 70 Bands und diese Kopfhörer sind erstmals offiziell erlaubt

| von Finn Lenzen & Christian Ermert

Musik spielt beim BMW BERLIN-MARATHON dieses Jahr eine große Rolle. Die 70 Acts am Streckenrand werden von einem neuen Team organisiert. Und erstmals ist das Tragen von Kopfhörern offiziell erlaubt.

Die Muskeln brennen, der Atem geht flach, ein Gefühl von Anstrengung und Müdigkeit macht sich breit. Spätestens ab Kilometer 35 wird der Marathon richtig hart. Doch dann: das entfernte Trommeln eines Schlagzeugs, die zarten Klänge einer E-Gitarre – und je näher man kommt, desto lauter wird die Musik. Eine Welle der Motivation durchströmt den Körper, neue Energie wird frei, und der Schritt fällt plötzlich wieder etwas leichter. Bass, Gitarre, Schlagzeug, Gesang – alles live am Rand einer Marathonstrecke.

Was zunächst wie eine Übertreibung klingt – normalerweise beschränkt sich die Musik bei Großevents auf einen DJ mit den neuesten Charts – wird beim BMW Berlin-Marathon jedes Jahr zur Realität. Wenn am 21. September mehr als 50.000 Läuferinnen und Läufer durch Berlin rennen, traben oder gehen, findet parallel ein zweiter Marathon statt – allerdings nicht auf der Straße, sondern am Straßenrand. Ein Klangmarathon aus Trommeln, Bläsern, Gitarrenriffs, Jazzakkorden und Samba-Rhythmen sorgt für das kleine Extra an Motivation auf dem langen Weg zum Ziel. Berlin läuft. Berlin klingt. Die Live-Musik ist längst ein fester Teil der Berliner Marathon-Kultur geworden.

In Berlin dürfen Open-Ear-Kopfhörer offiziell genutzt werden

Aber auch in Sachen individueller Motivation durch die eigene Musik, Podcast oder Radio macht der diesjährige BMW BERLIN-MARATHON einen großen Schritt: Zum ersten Mal in der Geschichte des Rennens ist das Tragen von Open-Ear-Kopfhörern, auf die auch die Berlin-Marathon-Legende Eliud Kipchoge schwört, offiziell erlaubt. Damit wird eine jahrzehntelange Einschränkung aufgehoben, die das Musikhören im Rennen offiziell untersagte – auch wenn es vielerorts toleriert und nicht sanktioniert wurde.

Mit der Entwicklung von Open-Ear-Technologien – etwa durch Marken wie Shokz – sind die Sicherheitsrisiken geschlossener Systeme deutlich verringert. Wer Kopfhörer nutzt, die den Schall über den Schädelknochen übertragen, hat die Ohren frei und hört neben der eigenen Musik auch Umweltgeräusche. Der BMW BERLIN-MARATHON folgt mit seinem Partner Shokz dem internationalen Trend und setzt mit der Freigabe von solchen Kopfhörern im Rennen ein klares Signal für Sicherheit, Inklusion und ein intensiveres Lauferlebnis.

Christian Jost, CEO des Unternehmens SCC EVENTS, das den Berlin-Marathon organisiert, sieht in der Entscheidung einen wichtigen Fortschritt: „Es schafft Klarheit, und das ist positiv. Niemand muss sich dafür rechtfertigen. Die Bedeutung von Musik beim Laufen ist heute viel größer als früher, dementsprechend ist auch die Beliebtheit gestiegen.“

Und so bemerken auch alle, die mit solchen Kopfhörern unterwegs sind, die rund 70 Musikacts, die beim BMW Berlin-Marathon 2025 entlang der 42,195 Kilometer langen Strecke für Stimmung und Motivation sorgen werden. Was viele nicht wissen: Die musikalische Euphorie am Streckenrand ist nicht nur mitreißend, sondern auch eine logistische Meisterleistung – und seit diesem Jahr in neuen Händen.

Seit Mitte der 1990er-Jahre war der Name John Kunkeler untrennbar mit der musikalischen Gestaltung des Berliner Marathons verbunden. Er hob den musikalischen Support des Events auf ein weltweit einzigartiges Niveau – zeitweise spielten über 90 verschiedenen Bands und Musikgruppen entlang der Strecke. Und all das neben seinen vielen weiteren Aufgaben, beispielsweise als offizieller Streckenvermesser und Jazzclubbesitzer. In diesem Jahr zieht er sich aus dem musikalischen Teil der Veranstaltung zurück und überlässt anderen das Feld.

Landesmusikrat übernimmt von John Kunkeler: Die Orga der Bands beim Berlin-Marathon ist eine Mammutaufgabe

Der Landesmusikrat Berlin übernimmt nun die Planung und Auswahl der Live-Konzerte an der Strecke. „Es sind auf jeden Fall riesige Fußstapfen, in die wir treten. Was John Kunkeler hier beim Berlin-Marathon geleistet hat, ist wirklich unglaublich“, meint Björn Kasan, Projektleiter für Instrumentale Amateurmusik beim Landesmusikrat Berlin. Er sieht sich selbst aber nicht als direkten Nachfolger, sondern betont: „Es ist eher der gesamte Landesmusikrat, der diese Aufgabe übernimmt.“  Dabei möchte man eine zentrale Botschaft vermitteln: Amateurmusik gehört zur Gesellschaft und zum Zusammenhalt, genauso wie der Sport. „Als sich John bei uns gemeldet hat, hat das von Anfang an gepasst. Viele der Bands, die beim Marathon spielen, sind Amateurmusiker – und genau die wollen wir ja unterstützen.“

Doch was ist eigentlich Amateurmusik? Gemeint sind Menschen, die in ihrer Freizeit musizieren – in Orchestern, Bands oder einfach zu Hause –, ohne damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Vom Musikschüler bis zum Seniorenensemble ist alles dabei. Der Landesmusikrat sieht darin weit mehr als nur ein Hobby: Amateurmusik schafft Begegnung, stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ist ein wichtiger Teil des kulturellen Lebens. Beim „Musikmarathon“ entlang der Strecke wird ein Teil dieser musikalischen Vielfalt für alle hörbar.

Aktuell stecken Björn und sein Team mitten in den Vorbereitungen für den großen Marathon-Tag. „Unsere Arbeit beginnt mit dem Abfahren der Strecke, um zu schauen, wo überhaupt eine Band oder Musikgruppe stehen kann“, erklärt er. Dabei braucht es nicht nur ausreichend Platz, sondern auch Strom für Instrumente und Verstärker sowie Schutzmöglichkeiten bei schlechtem Wetter. „Wir müssen außerdem darauf achten, dass wir niemand anderem in die Quere kommen, etwa Sponsoren oder Anwohnern.“ Das ist aber nur der Anfang: Lärmschutzbestimmungen, offizielle Genehmigungen, Auswahl der Bands – ein echter Organisationsmarathon.

Die richtigen Töne für die Stimmung am Wilden Eber

Auch die Reihenfolge der Bands ist wichtig. „Wenn du zehn Kilometer lang nur an Trommelgruppen oder nur an Rockbands vorbeiläufst, dann kann das auch ein bisschen eintönig werden“, schmunzelt Björn. Deshalb achten sie bei der Planung besonders auf Abwechslung entlang der Strecke. Mal eine Trommelgruppe, dann eine Rockband, hier eine Blaskapelle und dort ein Jazz-Ensemble – stets angepasst an die örtlichen Möglichkeiten. „Dieser bunte Mix aus verschiedenen Musikkulturen spiegelt auch ein bisschen die Vielfalt Berlins wider“, ergänzt Christina Bylow, verantwortlich für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Landesmusikrat. „Vom Techno-Club bis zum Zither-Ensemble gibt es hier wirklich alles. Diese Berliner Identität versuchen wir an die Strecke zu bringen.“

Dank des Landesmusikrats begleitet Musik die Läuferinnen und Läufer auf jedem Marathonmeter – mal leise, mal kraftvoll, mal rhythmisch, mal mitreißend. Wie eine unsichtbare Kraft, die müde Beine wieder leichter macht und die Stimmung an der Strecke hebt. Während die einen dem Ziel entgegenlaufen, sorgen die anderen dafür, dass jeder Schritt dorthin leichter fällt – mit Taktgefühl, Leidenschaft und Berliner Klangvielfalt.