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127. Boston-Marathon
Eliud Kipchoge abgehängt − Evans Chebet triumphiert erneut in Boston

| von Jörg Wenig und Christian Ermert

Eliud Kipchoge hat zum dritten Mal einen Marathon nicht gewinnen können und wurde Sechster beim Boston-Marathon. Sein kenianischer Landsmann Evans Chebet verteidigte in 2:05:54 Stunden den Titel.

Seine 2:09:23 Stunden von Boston sind die schwächste Zeit in der langen, einmaligen Marathon-Karriere von Eliud Kipchoge, die vor zehn Jahren mit einem Sieg in Hamburg begann. Hendrik Pfeiffer (TK Hannover) lief bei Regen auf einen guten 16. Platz in 2:12:22 Stunden. Und das auf der schweren Boston-Strecke, die zwar insgesamt vom Start in Hopkinton bis zum Ziel in Boston ein Gefälle von 139 Metern aufweist, auf dem aber immer wieder auch giftige Anstiege warten, sodass am Ende circa 300 Höhenmeter bergauf zu Buche stehen. Bei den Frauen gewann nach einem spannenden Kampf Hellen Obiri. Die Kenianerin lief bei ihrem ersten Marathon-Sieg nach 2:21:38 Stunden ins Ziel.

Bei 12 bis 14 Grad Celsius und mal schwächerem und mal stärkeren Regen kontrollierte Eliud Kipchoge das Feld lange Zeit von der Spitze des ältesten Marathons der Welt an. Bei der Halbmarathon-Marke und dem 30-km-Punkt führte der 38-Jährige eine siebenköpfige Gruppe mit Zwischenzeiten von 62:19 Minuten beziehungsweise 1:29:23 Stunden an. Kenias zweifacher Marathon-Olympiasieger und Weltrekordler (2:01:09 Stunden in Berlin 2022), der in Wien 2019 in einem nicht rekord-konformen Rennen mit 1:59:40,2 die Zwei-Stunden-Barriere durchbrach, blieb dann jedoch in den Hügeln von Boston regelrecht stecken.

Nachdem er zuvor am Verpflegungsstand seine Flasche verpasst hatte, musste er auf einer Bergauf-Passage die Spitzengruppe ziehen lassen und verlor relativ schnell deutlich an Boden. Als Evans Chebet am berüchtigten Heartbreak Hill einen ersten Vorstoß unternahm, war Eliud Kipchoge auf der leeren Straße hinter der Spitzengruppe schon nicht mehr zu sehen.

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Evans Chebet und Hellen Obiri gewinnen den 127. Boston-Marathon

An der Spitze entwickelte sich dann ein spannender Dreikampf mit mehreren Positionswechseln zwischen den Kenianern Evans Chebet und Benson Kipruto sowie Gabriel Geay (Tansania). Erst einen Kilometer vor dem Ziel setzte sich der 34-jährige Evans Chebet, der mit einer Bestzeit von 2:03:00 Stunden der zweitschnellste Läufer hinter Eliud Kipchoge auf der Startliste war, dann bei einer Unterführung entscheidend ab. Der Titelverteidiger siegte in 2:05:54 Stunden vor Gabriel Geay (2:06:04) und Benson Kipruto (2:06:06). „Der Regen war gut für mich und deswegen war ich heute rund eine Minute schneller als vor einem Jahr“, sagte Evans Chebet, der in Boston seinen dritten großen Marathon-Sieg in Folge feierte und damit im Kampf um die drei kenianischen Olympia-Tickets sicherlich gute Chancen haben wird. Im vergangenen November hatte Evans Chebet auch den New York-Marathon gewonnen.

Unerwarteter Rückschlag für Eliud Kipchoge

Ein gutes Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris, wo Eliud Kipchoge als erster Läufer der Sportgeschichte zum dritten Mal Marathon-Olympiasieger werden möchte, erlebte er in Boston einen unerwarteten Rückschlag. Ähnlich wie beim London-Marathon 2020, wo er knapp ein Jahr vor Olympia in Japan nur Achter war (seine zweite Niederlage nach einem zweiten Platz in Berlin 2013), gab es auch in Boston teilweise nasse Bedingungen. Es sah so aus als deutete er im Ziel im Gespräch mit seinem Manager auf ein Problem mit der Oberschenkel-Muskulatur. Bei nass-kühlem Wetter kann es durch kaltes Spritzwasser leicht zu derartigen Problemen kommen.

„Ich lebe für die Momente, in denen ich die Limits herausfordern kann. Aber das ist nie leicht und niemals gegeben. Heute war ein harter Tag für mich, ich habe alles versucht, aber manchmal muss man akzeptieren, dass es einfach nicht der Tag ist, um Barrieren zu verschieben“, schrieb Eliud Kipchoge, der in seiner Karriere 17 Marathonrennen gewonnen hat, auf einem Social-Media-Kanal nach dem Rennen. „Im Sport gewinnst du und du verlierst, aber es gibt immer einen nächsten Tag, um eine neue Herausforderung zu beginnen. Ich blicke erwartungsvoll nach vorne.“

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Hendrik Pfeiffer: Mit der Unterstützung von US-Fans zu Top-Leistung

Nach einer sehr schnellen ersten Hälfte von 64:00 Minuten konnte Hendrik Pfeiffer erwartungsgemäß dieses Tempo in Boston nicht durchhalten. Während der erste Teil der Strecke abfällt, folgen die harten Hügel-Passagen erst jenseits der 25-km-Marke. Der 30-Jährige hielt sich aber ordentlich, kam nach 2:12:22 ins Ziel, wo er von den US-Amerikanern gefeiert wurde, unter den er sogar echte Fans hat. Sowie Brooke Scheidhauer, die in Florida für seinen Sponsor Puma arbeitet und nach Boston gekommen war, um ihn anzufeuern: „Er ist so ein netter Kerl, ich drücke ihm die Daumen“, sagte sie. Hendrik Pfeiffer wird sich nun auf einen schnellen Herbst-Marathon vorbereiten, um dort die Olympia-Norm von 2:08:10 Stunden anzugreifen.

Hellen Obiri entscheidet das Rennen einen Kilometer vor dem Ziel für sich

Das Rennen der Frauen war lange Zeit nicht so schnell wie erwartet, allerdings wird in Boston traditionell ohne Tempomacher gelaufen. Elf Athletinnen liefen in der Spitzengruppe, die die Halbmarathon-Marke nach 1:11:29 Stunden passierte. Diese elf Läuferinnen rannten auch zehn Kilometer vor dem Ziel am Heartbreak Hill noch zusammen. Obwohl das Tempo an der Spitze trotz der Hügel nicht nachließ und sogar teilweise schneller wurde, fielen zunächst nur einzelne Athletinnen ab. Als die US-Amerikanerin Emma Bates, die am Ende Fünfte wurde, kurz vor Kilometer 40 zurückfiel, kämpften noch vier Läuferinnen um den prestigeträchtigen Sieg, der in Boston wie bei den Männern mit 150.000 US-Dollar belohnt wird: Neben der früheren Crosslauf- und 5.000-m-Weltmeisterin Hellen Obiri waren dies die israelische WM-Dritte Lonah Salpeter sowie die Äthiopierinnen Amane Beriso und Ababel Yeshaneh, die ein paar Kilometer zuvor noch gestolpert und gestürzt war.

Obiri und Beriso konnten sich dann lösen, und die Entscheidung fiel wie im Männerrennen an der Unterführung rund einen Kilometer vor dem Ziel. Hier lief Hellen Obiri davon und zum größten Straßenlauf-Sieg ihrer Karriere. Nach einem sechsten Platz bei ihrem Marathon-Debüt in New York im vergangenen Herbst, siegte die 33-Jährige nun in 2:21:38 vor Amane Beriso (2:21:50) und Lonah Salpeter (2:21:57). Die äthiopische Marathon-Weltmeisterin Gotytom Gebreslase musste sich in Boston mit Platz zehn in 2:24:34 Stunden zufrieden geben, während Hollands EM-Dritte von München, Nienke Brinkman, nach 2:24:58 auf Rang 15 ins Ziel lief.