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Corona-Situation
Im Herbst müssen die Laufevents wieder starten, sonst droht vielen das endgültige Aus

| von Jörg Wenig

Seit über einem Jahr verhindert Corona große Laufevents. Die Hoffnungen ruhen auf dem Herbst. Der ist gleichzeitig die letzte Chance. Sollte wieder alles abgesagt werden, droht vielen das endgültige Aus.

Auch im Frühjahr 2021 fanden im deutschsprachigen Bereich keine großen Laufveranstaltungen mit einem kombinierten Feld aus Breiten- und Spitzensportlern statt - und bis auf ganz wenige Ausnahmen galt das in der gesamten Welt. Lediglich einige kleine Rennen für Spitzensportler konnten während der Corona-Pandemie ohne Zuschauer gestartet werden.

Dass die Veranstalter trotzdem noch nicht, wie im letzten Jahr befürchtet, die Segel strichen, hängt einerseits mit weiteren Unterstützungsgeldern zusammen, die die Vereinigung der deutschen Straßenlauf-Veranstalter German Road Races (GRR) bei der Bundesregierung entscheidend vorangetrieben hat. Andererseits spielt aber auch die Hoffnung auf eine ausgedehnte Saison vom Sommer bis in den Spätherbst 2021 eine große Rolle. Relativ optimistisch blicken die Organisatoren derzeit auf den Spätsommer und bauen in erster Linie auf den Erfolg der Corona-Impf-Politik. Sollte es aber anders kommen, könnte es doch für viele schwierig werden.

Aktuell stecken alle Veranstalter noch in einer sehr schwierigen Phase, da nicht genau abzuschätzen ist, wie die Situation im Spätsommer und Herbst sein wird. Bisher kommt der Sport eigentlich gar nicht vor, wenn es um Lockerungskonzepte der jeweiligen Regierungen geht - und schon gar nicht der Breitensport, obwohl dieser im präventiv-medizinischen Bereich ganz besonders während einer Pandemie eine außerordentlich wichtige Rolle spielt.

Viele nationale und internationale Veranstalter, darunter zum Beispiel auch die des Vienna City Marathons, der am 12. September als erster bedeutender europäischer Marathon mit Elite- und Breitensportlern stattfinden soll, fordern eine längst überfällige Differenzierung von der Politik. Denn immer wieder werden Freiluft- und Hallenveranstaltungen wie auch Konzerte in einen Topf geworfen, obwohl das Infektionsrisiko sicherlich ganz verschieden ist.

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Petitionen für den Laufsport und den Breitensport

Der DOSB hat inzwischen unter dem Motto „Perspektiven für den Amateursport - jetzt!“ auch eine Petition gestartet, um seinen Forderungen mehr Druck zu verleihen. Hier kannst du die Petition mit deiner Unterschrift unterstützen. Und seit dem schon seit dem vergangenen Jahr läuft eine Petition der German Road Races, bei der es um die Sicherung der Straßenläufe geht. Diese Petition steht unter dem Titel “Save the Events - Rettet unsere Läufe!“ und du kannst dich hier dahinterstellen.

© Nagoya-Marathon

Testrennen in Nagoya hat mit über 10.000 gut funktioniert

In Japan, wo im Sommer auch die um ein Jahr verschobenen Olympischen Spielen nachgeholt werden sollen, wurde bereits im März ein erstes Rennen gestartet, das an Vor-Corona-Zeiten erinnerte. Elite- und Breitensportler starteten in Nagoya gemeinsam in zwei verschiedenen Wettbewerben: Knapp 5.000 Läuferinnen rannten einen reinen Frauen-Marathon, 9.000 Teilnehmer zählte anschließend ein Halbmarathon. Es gab ein stringentes Hygiene-Konzept, zugelassen waren zudem nur nationale Läufer. Etliche Zuschauer standen an der Strecke, fast alle mit Masken. Dieses Experiment hat offenbar gut funktioniert.

Abgesehen von einer „Harakiri-Veranstaltung“ in Moskau - der Marathon dort, der international keinen besonders hohen Stellenwert hat, fand im September 2020 ohne erkennbare Hygiene-Maßnahmen statt -, war der Lauf in Nagoya das erste derartige Rennen seit über einem Jahr weltweit. Die Japaner haben ein Beispiel geliefert für einen Weg zurück in die Normalität von Laufsport-Veranstaltungen.

Auch andere Veranstalter wagten erste Schritte zurück. Unter strengen Hygienebedingungen und mit einem ausgetüftelten Startprozedere gelang es den Organisatoren in Istanbul, zwei bedeutende Rennen mit Elite- und Breitensportler zu starten: Im November fand der Marathon mit 3.000 Läufern statt, im April gingen 4.000 beim Halbmarathon an den Start.

In Wien fand am vergangenen Wochenende immerhin ein kleineres Testrennen statt, bei dem knapp 200 Teilnehmer einen Halbmarathon liefen. Elite- und Breitensportler starteten dabei gemeinsam. Am 14. September wollen die Organisatoren des Vienna City Marathons den traditionellen Marathon starten. Für den gleichen Tag ist zurzeit auch der Hamburg-Marathon geplant. Es könnten die ersten international bedeutenden Rennen über die klassische 42,195-km-Distanz im deutschsprachigen Bereich werden. Ein erster größerer Lauf in Deutschland könnte bereits am 27. Juni stattfinden: An diesem Datum soll der Hamburger Halbmarathon auf einer alternativen Strecke stattfinden.

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London plant mit 55.000 Teilnehmer*innen für den 3. Oktober

Da viele Rennen aus dem Frühjahr um rund sechs Monate verschoben wurden, ist der Herbst-Lauf-Kalender schon längst überfüllt mit hochkarätigen Veranstaltungen, Die Serie der „World Marathon Majors“, zu der auch Berlin gehört, soll mit sechs Läufen binnen sechs Wochen stattfinden. Normalerweise zieht sich diese über rund neun Monate. London plant dabei zurzeit sogar mit einem Rekordfeld von 55.000 Startern am 3. Oktober. Dagegen haben die Veranstalter des New York-Marathons vor kurzem bekannt gegeben, dass sie ihr Starterfeld am 7. November auf 33.000 Teilnehmer reduziert wird. Das ist fast eine Halbierung im Vergleich zur gewohnten Größe des Feldes. Noch nicht klar ist, wie groß ein Berlin-Marathon am 26. September werden könnte.

Einerseits ist es in der derzeitigen Situation sicher ein Vorteil, wenn sich viele Läufer auf mehrere Rennen verteilen können. Andererseits benötigen die Organisationen eine gewisse, größere Teilnehmerzahl, um überhaupt wirtschaftlich veranstalten zu können. Es sei zurzeit vorstellbar, dass es im Herbst in Deutschland wieder einige größere Rennen geben kann, sagt Horst Milde, der Gründer des Berlin-Marathons und Vorsitzende der German Road Races (GRR). „Dafür muss der Impf-Prozess weiter schnell vorangehen und es müssen Schnelltests eingesetzt werden. Aber wir werden sicher keine Teilnehmerfelder mit 40.000 Läufern sehen, so wie früher in Berlin. Zum einen finden sich so viele Teilnehmer gar nicht, zum anderen ist das organisatorisch mit den Hygieneregeln nicht zu stemmen“, sagt Horst Milde.

GRR setzt Hilfen für Veranstalter beim Finanzministerium durch

German Road Races (GRR) hat im vergangenen Jahr viel getan, um die Veranstalter zu unterstützen. Mit der Petition „Save the Events - Rettet unsere Läufe!“, die bisher fast 10.000 Unterschriften erreichte, und der entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit wurde auf die Probleme der Laufveranstalter aufmerksam gemacht. Nachdem die ersten Coronahilfen für viele aufgrund ihrer Organisationsform nicht zugänglich waren, konnte GRR in zähen Verhandlungen mit den entsprechenden Ministerien bewirken, dass dies geändert wird. „Im Rahmen des Überbrückungsgeldes III können Lauf-Veranstalter inzwischen Unterstützungsgelder beantragen. Dafür gibt es eine eigens eingerichtete Wirtschaftskennziffer“, erklärt Karsten Schoelermann, der zum GRR-Vorstand gehört und maßgeblich an den Verhandlungen mit dem Finanzministerium beteiligt war. Der Organisator des Hamburger Halbmarathons fügt hinzu: „Mit dieser Unterstützung und der Möglichkeit, mit relativ geringem Aufwand ein virtuelles Rennen anzubieten, um die Ausfälle selbst noch etwas zu kompensieren, müssten die Veranstalter auch durch dieses Jahr kommen.“

Während viele Organisatoren optimistisch sind, warnt Horst Milde jedoch: „Es gibt eine Reihe von Faktoren, die den Veranstaltern noch das Genick brechen können“, sagt der GRR-Vorsitzende. Man wisse zum Beispiel nicht, wie viele Läufer tatsächlich zu den großen Rennen zurückkehren. „Das kann dann auch wieder finanziell schwierig werden. Zudem sind viele ehrenamtliche Helfer älter - ob sie sich trauen, zurückzukommen? Man muss auch sehen, dass das Gros des Laufsports die 30- bis 60-Jährigen ausmachen. Sie müssten geimpft sein.“

Ausgewählte Marathon-Termine im Herbst 2021

  • 12.09.: Wien, Hamburg
  • 26.09.: Berlin
  • 03.10.: London, Köln
  • 10.10.: Chicago, München
  • 11.10.: Boston
  • 17.10.: Amsterdam, Paris, Tokio
  • 24.10.: Rotterdam
  • 31.10.: Frankfurt
  • 07.11.: New York, Istanbul
  • 14.11.: Athen