Roboter fertigen Laufschuhe
Wie On mit flüssigem Kunststoff aus der Düse den Laufschuhbau neu denkt
Dank der robotergestützten LightSpray-Technologie produziert On Laufschuhe ressourcenschonender. Mit dem ersten so gefertigten Modell ist Samuel Fitwi bereits seinen deutsche Marathonrekord gelaufen.
Dass dieser Schuh anders ist, bemerkt man schon beim Anziehen. Er hat keine Schnürsenkel, und so ist man versucht, ihn anzuziehen wie einen klassischen Slipper: Fersenkappe nach hinten ziehen und reinschlüpfen. Aber das funktioniert beim Cloudboom Strike LS von On nicht. Um diesen Hochleistungsrennschuh anzuziehen, muss man das Material, das die Ferse umschließen soll, herunterdrücken, und den Fuß darüber von hinten ins Obermaterial schieben. Anschließend zieht man den Stoff unter der Ferse wieder hervor, bis der Schuh perfekt sitzt.

Samuel Fitwi ist mit erstem LightSpray-Modell deutschen Marathonrekord gelaufen
Nach diesem etwas mühsamen Prozess kann der Cloudboom Strike LS beim Laufen seine volle Leistungsfähigkeit entfalten. So wie am 1. Dezember 2024 an den Füßen von Samuel Fitwi. Damals verbesserte der Läufer vom Silvesterlauf Trier e. V. im spanischen Valencia den deutschen Marathonrekord auf 2:04:56 Stunden. Unterstützt von dem On-Carbonschuh Cloudboom Strike LS, bei dessen Produktion erstmals eine der innovativsten Laufschuh-Technologien der jüngeren Vergangenheit zum Einsatz kam.
Mit LightSpray setzt die Schweizer Marke On einen Meilenstein: Eine Fertigungsmethode, bei der eine Heißluftdüse das Kunststoff-Obermaterial eines Laufschuhs aufsprüht anstatt es zu weben, zu stricken oder verschiedene Stoffe zusammenzunähen oder zu verkleben. Das Ergebnis: ein ultraleichter, nahtloser und nachhaltigerer Schuh, über den Samuel Fitwi sagt: „Er ist superleicht und sitzt perfekt am Fuß. Zudem treibt mich die Carbonplatte in der Mittelsohle nach vorn. Ohne diesen Schuh wäre ich in Valencia nicht so schnell gelaufen.“

Technologie wurde beim BMW Berlin-Marathon präsentiert
Wie genau das Aufsprühen des Materials auf eine 3D-Abbildung des menschlichen Fußes – im Schuhmacherhandwerk seit Jahrhundert Leisten genannt – funktioniert, konnten sich Interessierte zuletzt anlässlich des BMW Berlin-Marathons in der deutschen Hauptstadt live anschauen. On präsentierte die Roboteraktionen im Kraftwerk Berlin, wo rohe Industrieästhetik auf Zukunftstechnologie traf.
Ein Roboterarm bewegt den Leisten mit der bereits fertigen Carbonsohle des Schuhs millimetergenau unter einer Düse, die den – in der Fachsprache thermoplastisches Polymer genannten – Kunststoff auf den Leisten sprüht. Aus der Düse kommt der Kunststoff bei 220 Grad Celsius und ist flüssig. Auf dem Leisten kühlt er ab und verfestigt sich. So entsteht das Obermaterial in einem einzigen, automatisierten Arbeitsschritt und wird gleichzeitig mit der Carbonsohle verbunden.

In drei Minuten das komplette Upper gesprüht
Die Bewegungen des Roboterarms sorgen dafür, dass das Upper abhängig von der Biomechanik und dem Bedarf an Atmungsaktivität oder Stützfunktion zonenweise angepasst wird: dichter im Fersenbereich für Halt, luftiger am Vorderfuß für Atmungsaktivität. Das sorgt für eine präzise Passform und ein angenehmes Tragegefühl – ganz ohne störende Nähte oder Druckstellen.
Das Schuhobermaterial lässt sich innerhalb von drei Minuten sprühen. Nachdem Carbonsohle und Upper vom Roboter „verheiratet“ sind, druckt die gleiche Maschine mit einem Tintenstrahl das Herstellerlogo und Farbelemente auf den Schuh. Diese Methode ist eine nachhaltigere Lösung als herkömmliche Branding-Verfahren, da sie nur ein Minimum an Wasser verbraucht und eine hohe Designflexibilität ermöglicht. Das dauert noch einmal drei Minuten und nach nur sechs Minuten ist der komplette Schuh fertig produziert.
Insgesamt ist das LightSpray-Verfahren deutlich umweltfreundlicher als die herkömmliche Produktion von Laufschuhen. On zufolge reduziert LightSpray die CO₂-Emissionen der Obermaterialproduktion um bis zu 75 Prozent gegenüber herkömmlichen Verfahren. Da kein Verschnitt entsteht und keine Klebstoffe nötig sind, fällt deutlich weniger Abfall an.
Und vor allem: Mit der Robotertechnologie können Laufschuhe überall kostengünstig produziert werden. Wenn man sie dort einsetzt, wo die Schuhe gekauft werden sollen, ist man nicht mehr auf Arbeitskräfte in Ländern wie Vietnam angewiesen. Die Schuhe müssen nicht mehr auf dieselbetriebenen Containerschiffen von den Produktionsstandorten zu den Absatzmärkten in aller Welt verschifft werden. Die lokale Fertigung wäre ein wichtiger Schritt in Richtung klimafreundlicher Laufschuhproduktion.

Von eine Halloween-Tüftler mit Heißklebepistole inspiriert
Diese Chancen hat man bei On schon vor Jahren gesehen. Die zündende Idee kam aus einer Halloween-Dekoration. Ein Mitglied des On-Innovationsteams wurde durch ein Video eines jungen Tüftlers inspiriert, das zeigte, wie eine Heißklebepistole Spinnennetze erzeugt. Fasziniert von der schnellen Herstellung von Stoff in komplexe Formen sah das On-Team in der Produktion von Laufschuh-Obermaterial die perfekte Anwendung für diese Technologie. Der Tüftler, dessen Video die On-Leute inspirierte, war Johannes Voelchert. On holte ihn in sein Innovationsteam und er stellte mit einer modifizierten Heißklebepistole, die er in der Hand hielt, den ersten einfachen Prototyp eines Schuhoberteils her.
Diese Idee wurde dann von dem On-Team zu der komplexen Maschine entwickelt, die man in Berlin in Aktion bestaunen konnte. Im nächsten Schritt soll die Technologie einer breiteren Schicht von Läuferinnen und Läufern zugänglich gemacht werden. Dafür ist seit Juli in Zürich die weltweit erste LightSpray Factory in Betrieb und bedient von dort die globale Nachfrage. „Wir sind überzeugt davon, dass sich mit LightSpray nicht nur schnelle Racer wie der Cloudboom Strike LS nachhaltig und mit perfekten Laufeigenschaften produzieren lassen, sondern auch Modelle fürs alltägliche Lauftraining“, sagt Marie Georgarakis aus dem für LightSpray zuständigen On-Innovationsteam. Ihr Fazit aus den Erfahrungen mit der LightSpray-Produktion des Cloudboom Strike LS: „Die Technologie hat das Potenzial, nicht nur Schuhe, sondern alle Arten von tragbaren Produkten in der Sportbekleidungsindustrie zu revolutionieren.“