Frau Schmitts Kolumne
Was man zum Laufen braucht
Heidi Schmitt ist Läuferin und Autorin aus Leidenschaft. In ihrer Kolumne auf laufen.de schreibt sie über das, was sie beim Laufen erlebt. Diesmal: Über alles, was man zum Laufen braucht.
Das Schöne am Laufen ist, dass man nichts braucht. Heißt es. Außer Schuhen natürlich. Guten Schuhen. Mit maximaler Dämpfung, oder auch ohne. Oder mit Carbon. Oder auch Trailschuhe und ein GTX-Modell für den Winter.
Auf jeden Fall mehrere, damit man wechseln kann. Und dann braucht man Socken. Gute Socken, damit es keine Blasen gibt. Zweilagige. Oder solche mit Zonen. Und Kompression. Also auf jeden Fall nicht irgendwelche Socken. Und viele.
Ohne Uhr? Denkste!
Und eine Uhr braucht man. Ich lief wochenlang ohne Uhr, aus purem Trotz. Bei meiner alten reichte der Akku mit GPS ungefähr bis zum nächsten Straßenschild, dann kam ein Warnhinweis. Und während ich noch das zweite Wort des Warnhinweises las, wurde das Display schwarz. Ich brauche eigentlich keine Uhr, dachte ich dann.
Aber das stimmt natürlich nicht. Läufer brauchen Laufuhren. Ich habe jetzt wieder eine und die weiß einfach alles. Schweißverlust, VO2max, Stresslevel, einfach alles. Obwohl es ein Einsteigermodell ist! Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Funktionen erst das Aussteigermodell hat!
Amnesie, Telepathie, ...
Es stimmt also irgendwie nicht, dass man zum Laufen nichts braucht. Man braucht sogar noch viel mehr als Schuhe, Socken, andere Klamotten und eine Uhr. Man braucht zum Beispiel meteorologische Amnesie, damit man Läufe bei unangenehmen Wetterbedingungen vergisst, um unverzagt wieder starten zu können, während andere Menschen sich die Decke über den Kopf ziehen.
Man braucht Ampel-Telepathie – hypnotische Fähigkeiten in Bezug auf Ampeln, die je nach Bedarf auf rot oder grün springen sollen. Von Vorteil ist auch eine gewisse Mikroflirt-Kompetenz, dank derer man im Vorüberlaufen einen bedeutungsvollen Blick austauschen kann.
Du hast noch keine innere Tarnkappe?
Und ohne eine innere Tarnkappe, die einem ermöglicht, lässig mit hochrot schwitzender Birne und schwerem Schritt an einer Gruppe Menschen vorbeizuschaukeln, geht es auch nicht. Paparazzi-Reflexe, um blitzschnell die Körperhaltung zu korrigieren, sobald man eine Kamera oder ein Fenster mit Blickkontakt erspäht, scheinen mir auch hilfreich zu sein.
Was man ebenfalls braucht, ist archäologische Neugier, zum Beispiel in Bezug auf den einsamen Handschuh auf dem Weg. Und wie mögen der Lockenwickler oder die Kuchengabel hierhergekommen sein? Wichtige Fragen, denen der laufende Mensch unterwegs nachgehen muss.
Ohne detektivischen Spürsinn geht sowieso nichts
Auch der detektivische Spürsinn für die Gerichte, die gerade gekocht werden, während man an einem Küchenfenster vorbeiläuft, ist im Grunde zum Laufen unabdingbar. Ebenso braucht man eine Sammelleidenschaft für unterwegs aufgeschnappte Gesprächsfetzen, die sich dann zu kleinen Geschichten weiterspinnen lassen.
Fast hätte ich noch das Studium der Hundepsychologie vergessen, das dafür sorgt, dass man garantiert mit vollständiger Wade zuhause ankommt. Und nichts geht ohne die Fähigkeit zum Scheitern in Würde – es läuft nicht jeden Tag fantastisch und so eine Gehpause will auch elegant gestaltet sein. Ach, man braucht so vieles, wenn man läuft!
Heidi Schmitt …

… ist Läuferin und Autorin aus Frankfurt, schreibt und läuft im stetigen Wechsel. Am liebsten über und bei Volksläufen in der Provinz, wo Läuferinnen und Läufer zwar selten mit einer Medaille, dafür aber mit Streuselkuchen belohnt werden. Auf laufen.de schreibt sie ganz offen, was sie denkt. Und wer mehr Frau Schmitt will, wird hier fündig: